I. Roemercohorte Opladen e.V.

Römerschiff "Victoria"

Im Jahr 2007 und 2008 wurde in einem Forschungsprojekt unter Leitung der Universität Hamburg und unter Beteiligung des Römermuseums Haltern ein römisches Flusskriegsschiff aus dem 1. Jh. n. Chr. in Originalgröße rekonstruiert. Funde von gut erhaltenen Schiffswracks aus Oberstimm an der Donau sowie intensive Forschung zum antiken Schiffsbau hatten es möglich gemacht, einen voll funktionsfähigen Nachbau zu erstellen. Schiffe dieser Bauart waren in der Antike vermutlich regelmäßig auf dem Rhein, der Donau und ihren Nebenflüssen unterwegs, um die Grenze zu überwachen oder Truppen für kleinere Militäraktionen zu verlegen. Die I. ROEMERCOHORTE OPLADEN  e. V. hatte die Ehre und das Vergnügen, das rekonstruierte Schiff bereits bei einer seiner ersten Testfahrten auf dem Ratzeburger See besetzen zu dürfen. Anschließend begleiteten wir es auch in Hamburg bei seiner Taufe auf den Namen "Victoria" und in den folgenden Jahren bis heute bei vielen weiteren Einsätzen vor und mit Publikum in ganz Deutschland.

Bei den meisten dieser Einsätze stellen wir eine Stammmannschaft, um das Schiff rudern und segeln zu können. Auch wenn auf dem Schiff mehr als 20 Soldaten Platz finden können und es 18 Ruderplätze gibt, reichen doch bereits sechs Mann, um alle nötigen Positionen beim Rudern und Segeln besetzen und das Schiff somit sicher navigieren zu können. Die übrigen Plätze können dementsprechend mit Gästen besetzt werden, die sich nach einer kurzen Einweisung in die Ruderbefehle selbst in die Riemen legen dürfen, um eine Runde mit der Victoria zu drehen. Neben der Position des Steuermanns werden dabei auch immer die beiden Schlagpositionen von uns besetzt, um einen gleichmäßigen Rudertakt vorzugeben, in den sich die Gäste dann hoffentlich möglichst bald einfinden. Die weiteren Soldaten werden vor allem beim Segeln zur Bedienung des Segels benötigt und um im Ruderbetrieb den Rudergästen hilfreich zur Hand zu gehen.

Wie groß die jeweilige Tour ausfällt, hängt nicht nur vom Rudertalent der Besatzung ab, sondern immer auch von den örtlichen Gegebenheiten: Während wir auf dem Xantener Nordsee ungestört segeln oder auf der Spree in Berlin mit kräftigen Ruderzügen am Kanzleramt vorbeifahren konnten, waren wir auf dem engen Schlossteich in Detmold am Lippischen Landesmuseum gefühlt mehr mit vorsichtigen Wenden als mit allem anderen beschäftigt. In Frankfurt am Main wiederum wäre die Absicherung des Ruderbetriebs wegen des starken sonstigen Schiffsverkehrs gleich so aufwändig gewesen, dass wir nur ein "Trockenrudern" mit einer am Steg vertäuten Victoria anbieten konnten. Der Rhein weist sogar durch heutige Eingriffe eine so hohe Strömungsgeschwindigkeit auf, dass die Victoria dort gegen dern Strom kaum voran kommen würde. Während es in der Antike dort sicher regen Schiffsverkehr gab, durfte die Victoria daher dort bisher nur sehr eingeschränkt fahren.

Die Victoria bei einer Publikumsfahrt unter Segeln | © I. Roemercohorte Opladen e.V.

Neben der Einweisung und Betreuung der Gäste hat die Stammmannschaft bei Publikumsfahrten in der Regel auch die Aufgabe, das Schiff zu Beginn startklar zu machen und hinterher wieder für den Transport vorzubereiten - Victoria reist nämlich bevorzugt per Tieflader. Wichtigster Schritt beim Auf- und Abrüsten ist dabei das Setzen bzw. Legen des Mastes, der auch im römischen Original nicht fest montiert war. Stattdessen konnte er aufgestellt werden, wenn sich eine Gelegenheit zum Segeln ergab und wieder umgelegt werden, wenn er beim Rudern unnötigen Windwiderstand geliefert hätte oder um Hindernisse besser passieren zu können.

Die Victoria auf dem Xantener Nordsee | © I. Roemercohorte Opladen e.V.

Beim Publikumsrudern geht es vor allem darum, Wissen über die antike Schifffahrt und die römische Flussflotte zu vermitteln sowie den Gästen die Möglichkeit zu geben, einmal selbst ein wissenschaftlich rekonstruiertes Objekt in Aktion zu bringen, was aber immer nur mit kleinen Gruppen nacheinander möglich ist. Eine deutliche breitete Wirkung in der Öffentlichkeit erzielten dagegen sicherlich die verschiedenen Aktionen, in denen uns Kamerateams auf dem Schiff begleiteten. Schon bei den ersten Testfahrten auf dem Ratzeburger See war ein Filmteam für die Serie "Terra X" dabei und filmte unsere Versuche, in möglichst kurzer Zeit aus voller Fahrt zum Stehen zu kommen, gefolgt von einer 180°-Wende auf der Stelle. Einige Jahre später legten wir uns auch für die "Sendung mit der Maus" in die Riemen, um die Victoria auch einem jüngeren Publikum näher zu bringen. Bei diesen Einsätzen stellen wir mehr als nur eine Stammbesetzung, sondern besetzen alle oder zumindest fast alle Ruderplätze. Dadurch wird nicht nur das Bild stimmiger (halbleere Schiffe dürften in der Antike eher selten eingesetzt worden sein), sondern auch die Ruderarbeit einfacher. Im Gegensatz zu den eher gemütlichen Publikumsfahrten ist es bei diesen Aktionen nämlich durchaus das Ziel, ein realistisches Bild der Leistungsfähigkeit römische Flussschiffe zu erzeugen, soweit dies mit untrainierten Hobby-Akteuren überhaupt möglich ist.

Weitere eigene, intensivere Erfahrungen mit dem Schiff konnten einige unserer Mitglieder jedoch vor allem bei der Lippetour 2009 sammeln, bei der die Victoria in mehreren Orten entlag der Lippe Station machte. Der ursprüngliche Plan, die Lippe auf einer langen Strecke flussabwärts entlang zu fahren, ließ sich dabei leider aufgrund vieler moderner Hindernisse nicht realisieren. Deshalb kamen immer wieder Kran und Tieflader zum Einsatz, um kurze oder auch größere Strecken zu überbrücken. Trotzdem setzte die Victoria gleich auf der ersten Etappe in Hamm auf einer Sandbank auf, so dass ein Teil der Besatzung aussteigen musste, um das Schiff anzuschieben und es gleichzeitig leichter zu machen. Ziemlich sicher dürfte es unseren antiken Vorbildern vor 2000 Jahren zuweilen ähnlich ergangen sein!

Zwischen den Einsätzen hat die Victoria derzeit keinen Heimathafen, in dem sie permanent im Wasser liegt, sondern sie kann auf dem Gelände des Römermuseums Haltern auf dem Trocknen besichtigt werden. Den Mast muss man sich dort allerdings dazu denken, da dieser nicht permanent gesetzt ist. Auch für die Zukunft sind noch Fahrten vorgesehen, so dass das "Projekt Römerschiff" auch für uns noch nicht zu seinem Ende gekommen ist.

Buchtipp

Rudolf Aßkamp, Christoph Schäfer (Hrsg.)
Projekt Römerschiff
Koehlers Verlagsgesellschaft, 2008

Zeichnung eines römischen Legionärs aus dem Logo der I. Roemercohorte Opladen e.V.
LEG VI VIC
Lorbeerkranz
COH VI ASTVR