Kaiser Vespasian
Titus Flavius Vespasianus, bekannt unter dem Namen Vepasianus, wurde im Jahre 9 n. Chr. als Sohn des Zolleinnehmers Flavius Sabinus und der Vespasia Polla, die beide dem Ritterstand angehörten, in Reate im Sabinerland, nördlich von Rom, geboren. Wie dem Bruder seiner Mutter und seinem älteren Bruder, gelang es ihm aber rasch, zum Senator ernannt zu werden. Im Jahre 40 wurde Vespasianus Prätor und erhielt durch Narcissus, einen sehr einflußreichen Kanzleibeamten des Claudius, weitere, nicht zu verachtende Förderungen.
Erste Schritte auf dem Weg zur Macht
Während der Britannienfeldzüge des Claudius (43 - 44 n. Chr.) erhielt Vespasianus, durch seine Leistungen als Legionskommandeur, die Triumphalinsignien und zwei Priesterwürden. 51 n. Chr. wurde er zum Konsul ernannt, gefolgt von der Ernennung zum Prokonsul von Africa im Jahre 63. Seine dort geleistete Verwaltungsarbeit fand große Anerkennung, da er sich trotz seiner Stellung nicht zu seinem Vorteil bereicherte.
Im Jahre 66 fiel Vespasianus beim Kaiser in Ungnade, da er bei einer Gesangsdarbietung des Nero, der sich auf einer Reise in der Provinz Archäa befand, einfach einschlief. Trotz dieses Frevels ernannte Nero ihn Anfang des Jahres 67 zum Statthalter von Judäa, um den Aufstand der Juden niederzuwerfen, der als Erster Jüdischer Aufstand Einzug in die Geschichte hielt. Wahrscheinlich stellte Nero mit dem wenig bekannten Vespasianus einen Feldherren an die Spitze der Truppen, um der Möglichkeit einer Revolte, die sich gegen den Kaiser richten könnte, vorzubeugen. Mitte des Jahres 68 hatte Vespasianus es geschafft, mit Ausnahme von Jerusalem und weniger Randbefestigungen, das Land wieder unter die Kontrolle Roms zu bringen. Nachdem er erfahren hatte, dass sich Nero am 9. Juni 68 n. Chr. selbst gerichtet hatte, unterbrach er seine Vorbereitungen zum Sturm auf Jerusalem und erkannte Galba, der sich am 2. April 68 in Carthago Nova zum "Legaten des Senates und des römischem Volkes" ausrufen lies, als Nachfolger des Nero an.
Langsam, aber mit großer Bestimmtheit, begann Vespasianus selbst ehrgeizige Pläne zu entwickeln. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei Gaius Licinius Mucianus, Statthalter von Syrien. Obwohl es zwischen den beiden große Unstimmigkeiten gab, die auf Vespasians höhere Stellung als Feldherr gegenüber der des Statthalters zurück zu führen waren, verfolgten beide gemeinsam das politische Geschehen nach Neros Tod und begruben ihren Streit. Der Tod Galbas im Januar und der Selbstmord Othos im April, bestärkten sie in ihrem Bestreben, einen Aufstand zu organisieren. Vitellius, dem Otho unterlegen war, wurde zwar von den beiden als Kaiser anerkannt, doch versichterten sie sich im Geheimen des Wohlwollens des Tiberius Iulius Alexandros, seines Zeichens Präfekt von Ägypten.
Gefechte und die Kaiserwürde
Da Mucianus keine Söhne hatte um eine Dynastie zu gründen und Alexandros nur dem Ritterstand angehörte und dazu noch nicht einmal römischer Herkunft war, konnte nur Vespasian, Vater von Titus und Domitianus, als Anwärter auf den kaiserlichen Thron gelten. Mucianus und Alexandros blieb nichts anderes übrig, als Vespasian als Thronanwärter aufzustellen.
Am 1. Juli 69 erhielten die Truppen in Ägypten von Alexandros den Befehl, Vespasianus den Treueeid zu leisten. Bis mitte des selben Monats folgten die Armeen in Judäa und Syrien. Während Vespasian die für Rom so lebenswichtigen Getreidelieferungen aus Ägypten kontrollierte, sollte Mucianus mit 20.000 Mann nach Italien maschieren. Auf Initative eines Galliers, Marcus Antonius Primus aus Tolosa, Kommandeur einer pannonischen Legion, schlossen sich bis Ende August die Donau-Legionen Vespasian an. Eigenmächtig marschierte Marcus Antonius Primus nach Italien, wo er die vitelliustreuen Soldaten in der "Zweiten Schlacht bei Bedriacum" nahe Cremona schlug. Sein weiterer Weg führte ihn nach Rom, wo ihm erbitterter, mit Verzweiflung geführter Wiederstand geleistet wurde.
Der Stadtpräfekt Roms, Sabinus, Bruder des Vespasianus, hatte es zuvor fast geschafft, Vitellius zur Abdankung zu bewegen, was kein Kaiser zuvor getan hatte. Die noch in der Stadt stationierten vitelliustreuen Truppen, brachten den zum Capitol geflüchteten Sabinus auf, wo sie ihn dann auch ermordeten. Am 20. Dezember wurde Vitellius von Soldaten gefangengenommen und auf dem Forum rücksichtslos ermordet. Tagsdarauf marschierte Primus in Rom ein und der Senat bestätigte Vespasians Anspruch auf die Kaiserwürde. Trotz seiner Verdienste, die zum Fall Roms geführt und Vespasianus endgültig zum Kaiser gemacht hatten, wurde Primus von dem später eintreffenden Mucianus, seiner eigenmächtigen Handlungsweise zur Folge, getadelt und zudem großer Greueltaten während der Kämpfe beschuldigt. Primus reiste zu Vespasianus in den Osten, wurde von ihm ausgezeichnet und in seine Heimat, nach Tolosa, entlassen.
Truppenerneuerung
Mucianus, der durch Primus Hilfe nun Rom in seiner Gewalt hatte, ließ alle potentiellen Unruhestifter hinrichten und hielt ein wachsames Auge auf Domitianus, Vespasians Sohn. Vespasian selber kehrte im Jahre 70 n. Chr. nach Rom zurück, wo er auf seinem neuen Forum den Friedenstempel errichten ließ, das Zeichen für die Beendigung des Bürgerkrieges. Auf seinen Münzen ließ Vespasian immer wieder an die Wiederherstellung des Friedens erinnern, da es eine ungeheure Anstrengung für ihn bedeutete, das Volk für sich zu gewinnen. Dies rührt aus seiner niedrigen Abstammung her. Eine der berühmtesten Münzen Vespasians erinnert an die Eroberung Jerusalems durch seinen ältern Sohn Titus, den er im Osten zurückgelassen hatte. Mit "JUDAEA CAPTA" wurde dieses Ereignis gefeiert. Vespasian stützte seine Macht auf die Armee, die den Jüdischen Aufstand (bis auf die Festung Massada, sie fiel erst im Jahre 73 nach langer Belagerung) beendete und unter Cerealis den Germanen und Galliern (an der Nordgrenze des Reiches) bei Augusta Treverorum (Trier) eine entscheidende Niederlage beibrachte.
Um seine Position zu stärken und den ehemaligen Truppen des Vitellius keine entscheidenden Positionen, die sich evtl. negativ auf sein Kaisertum auswirken könnten zu geben, reorganisierte Vespasian das Heer. Die großen Legionsstandorte an Rhein und Donau wurden in kleine, voneinander getrennte Lager umgewandelt, da die von ihnen ausgehende politische Gefahr zu groß wurde. Weitere Veränderungen gestatteten den Truppen mehr Seßhaftigkeit, was aber nicht für die Auxiliareinheiten galt - ein Ergebnis des Gallieraufstandes. Die Mischung der Nationalitäten, um eine Federführung einer ethnischen Gruppe zu verhindern, tat ihr übriges dazu die Sicherheit gegen einen Aufstand zu gewährleisten. Der 1. Juli 69 wurde von Vespasian als Tag seines Amtantritts gesehen, der Tag als die Truppen ihn zum Kaiser ausgerufen hatten. Dies war ein weiterer Beweis dafür, dass Vespasian seine Kaiserwürde der Armee zu verdanken hatte. Dem römischen Senat war dies natürlich ein Dorn im Auge, doch Vespasian verstand es den Senat durch regelmäßige Konsultation im Zaum zu halten, ohne ihm weite Handlungsfreiheit zu lassen.
Geld und Politik
Im Jahre 73/74 rief er das Amt des Zensors wieder ins Leben, das er selbst innehielt und damit den Senat kontrollierte. Seine Alleinherrschaft wurde somit weiter gestärkt. Neben der Kontrolle der Bevölkerung stellte die Finanzverwaltung ein Problem für Vespasian dar. Die durch den Bürgerkrieg stark beanspruchte Staatskasse verlangte nach Füllung, was Vespasian zwang, die Steuern stark zu erhöhen und neue Steuern einzuführen. Unter diesen befand sich auch eine Steuer auf den Urin von Passanten, den Gerbereien üblicherweise sammelten (woher der bekannte Spruch stammt "pecunia non olet" (Geld stinkt nicht)), was ihm Schmäh und Häme einbrachte. Er brachte den Kritikern jedoch Argumente entgegen, die ihn nicht als geizigen Alleinherrscher darstehen ließen. Der Bau des Friedenstempels, Baubeginn des Kolosseums und ein Lehrstuhl für Griechisch und Latein nahmen ihnen den Wind aus den Segeln. Seine Volksverbundenheit brachte Vespasian durch Maßnahmen, wie die Lockerung der Schutzmaßnahmen für seine Person, so dass er für "jeden" zu sprechen war, zum Ausdruck.
Die Aufgaben, die Vespasianus als Kaiser zu bewältigen hatte, bedurften einer Unterstützung, die sich in der Form seines Sohnes Titus manifestierte. Sie gab auch Vespasians Absicht wieder, eine neue Dynastie gründen zu wollen, die der Flavier. Ständigen Anfeindungen durch Moralisten und Koservative ausgesetzt, griff Vespasian auch zu drastischen Mitteln. So wurden Verschwörer, die zum engsten Beraterkreis des Kaisers gehörten, die Kaiserwürde durch Erbrecht aber konsequent ablehnten, auf Befehl seines Sohnes Titus hingerichtet.
Durch die Kontrolle des Gebietes zwischen Hochrhein und Donau (agri decumates) war es Vespasian möglich, die Nordgrenze des bestehenden Reiches erheblich zu verkürzen. Der bewährte Feldherr Cerealis unterwarf in Britannien die Briganten, wodurch die Reichsgrenze weiter nach Norden, in Richtung Caledonien, vorgeschoben werden konnte. Da solche Operationen die Ausnahme in Vespasians Regierungszeit waren, herrschte im Reich weitgehend Ruhe.
Am 24. Juni 79 starb Vespasian in Aquae Cutiliae, unweit seines Geburtsortes.